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LANGSAM ist FLÜSSIG und FLÜSSIG ist SCHNELL! Warum man Bewegung langsam lernen soll


Als ich meine erste Ausbildung zum Ausbilder mit 19 Jahren während meines Offiziersdiploms durchlief, lernte ich einen Spruch im Rahmen von Bewegungslehre bzw. praktischer Ausbildung, den ich meinen Schülern auch einpräge, da seine Bedeutung nie unterschätzt werden darf. Spätestens seit ich selbst Ausbilder ausbildete, war dieser Spruch aus meinem Leben als Vorgesetzter und Ausbilder/Lehrer nicht mehr wegzudenken. "Langsam ist flüssig und flüssig ist schnell!"



Ich erinnere mich noch daran, wie ich selbst meine erste praktische Kampfausbildung absolvierte und wie groß der Drang dazu war, es unbedingt in voller Geschwindigkeit auszuführen. Und ich verstand als Schüler zuerst schwerlich, warum man ganze Tage lang Haltungen, Anschlagsarten und kleine Bewegungen wie das Ziehen der Waffe üben müsse. Und dann auch noch in Zeitlupe. Der Druck es schnell und so gut wie der Ausbilder ausführen zu können war groß und verführend. Doch ich sah schnell die Erfolge uns begann riesig Spaß zu machen sich zu verbessern und zu perfektionieren. Und das Beste, die Geschwindigkeit kam von ganz allein. Der Vorteil einer Vollzeitkampfausbildung ist eben auch die Zeit, die man täglich investiert und auch die Erfolge, die man sehen kann. Das Üben von Haltungen und Kleinstbewegungen in Zeitlupe hat die Bewegungen schließlich soweit perfektioniert, dass die Geschwindigkeit ganz von alleine kam. Nach wenigen Tagen konnten bereits Rekordzeiten in der fehlerfreien Geschwindigkeit und Perfektion von Teilbewegungen und Bewegungen erzielt werden. Wobei man hier Tage immer in Vollzeit sehen muss, also 6-9 Stunden Ausbildung.

Allein für verschiedene Anschlagsarten, also das korrekte Halten der Waffe in verschiedenen Ständen, mit unseren Huten im Fechten vergleichbar, wurde täglich stundenlang geübt. So mühevoll es auch erscheint, so überzeugend sind am Ende die Erfolge. Schon nach wenigen Wochen ist man nach allen Teilbereichen der Ausbildung somit in der Lage im Schießen und Kämpfen gute bis sehr gute Ergebnisse zu erzielen.

Natürlich werden Tempo, Methoden und Komplexität mit den erzielten Lernerfolgen zunehmend gesteigert. Aber entgegen dem Drang des Schülers muss die Bewegung erst langsam perfektioniert werden. Es zeigt sich schnell, wenn jemand dieser Ausbildungsstruktur nicht gefolgt ist, da sich in die Bewegungen viele kleine Fehler eingefügt haben können, die am Ende den Erfolg zu Nichte machen und sich beim Schießen schnell zeigen.

Wie aber kommt es, dass es effizienter ist langsam zu lernen? Auf vereinfachte Art und Weise erkläre ich das stets so. Stellt euch vor euer Gehirn ist das Rechenzentrum mit Prozessor und Festplatte. Es dient also dazu die Bewegungen wahrzunehmen und zu speichern. Dazu fließen Datenströme durch den ganzen Körper, um die alles wahrzunehmen. Diese Daten fließen in einer bestimmten maximalen Geschwindigkeit. Je nach Geschwindigkeit einer Bewegung kann das Gehirn also nur eine bestimmte Anzahl an Daten zu dieser Bewegung wahrnehmen und speichern. Wenn ich also eine Bewegung erlerne soll und beginne diese möglichst schnell auszuführen, dann werde ich viele Teile dieser Bewegung nur schwer oder gar nicht wahrnehmen und abspeichern können. Meine Bewegung wird also nie den gewünschten Grad an Fehlerfreiheit erreichen können. Bzw muss ich die Bewegung viel öfter ausführen und darauf hoffen, dass der Datenfluss die Bewegung jedes mal möglichst so unterschiedlich wahrnimmt und speicher, dass er alles kleinen Teilabschnitte speichert. Allerdings ist dann wieder schwierig diese nachträglich zusammenzusetzen. Nehme ich die Bewegung aber langsam wahr, dann können sehr viele Daten zur Bewegung in der richtigen Reihenfolge und mit den richtigen Zusammenhängen wahrgenommen und gespeichert werden. Werden die Daten dann noch regelmäßig auf Fehler kontrolliert und viel Wiederholungen gemacht, dann ist Fehlerquote sehr gering. In der Bewegungslehre spricht man von Grobkoordination über Feinkoordination bis hin zur Feinstkoordination. Erst wenn eine gewisse Fehlerfreiheit der Bewegung bzw. das psychomotorische Lernziel erreicht ist, dann kann die Bewegung auch komplexer ausgeführt werden. Es ist für das Gehirn nun kein Problem mehr die Daten auch schneller wiederzugeben, da ja alle notwendigen Daten vorhanden sind. Geschwindigkeit ist nun nur noch eine Trainings- bzw. Übungssache. Das Erlernen einer korrekten Bewegung aber ist ein Lernen bzw. Ausbilden. Hier ist die Schnittstelle zwischen Ausbildungslehre und Trainingslehre.



Das Besondere an dieser Lernmethode/Lernstruktur ist auch, das wir lernen können kleine Unterschiede bewusst wahrzunehmen, die uns sonst gar nicht auffallen. Wie etwa Gewichte, Muskelgruppen etc. . Mit Bezug zum Fechten sind es etwa die Haltung von Gelenken und Winkeln, die Ausrichtung der Schneiden und vieles mehr. Besonders aber auch unser Gleichgewicht und die Verlagerung unseres Schwerpunktes. Wer einen Hau mit dem dazugehörigen Schritt in Zeitlupe erlernt, wird merken, wann der richtige Punkt ist, an dem eine Gleichgewichtsverlagerung und somit auch ein neuer Impuls für einen Treffer beim Hauen beginnt. Dazu gehören viele Teilbereiche der Körpermechanik, die der Fechter/Schüler nur so intensiv wahrzunehmen lernt, wie etwa Falling- und Risingsteps oder Atmung, Anspannung und Entspannung und vieles mehr.

Wer meint ein solches Erlernen wäre ja langweilig und monoton, der irrt sich. Es gibt viele Variationen und Motivationen, die ein Trainer einarbeiten und nutzen kann, um diesen Teilbereich der Ausbildung eines Fechters interessant zu machen. Motivation ist dabei das wichtigste Element. Darüber hinaus sehen viele Fechter die Verbesserungen an sich selbst und es macht ihnen Spaß, sich zu verbessern. Selbst nach jahrelangem Training ist die Reduzierung bzw. das Schrauben an dem Regler Geschwindigkeit ein tolles Werkzeug in der Fechtausbildung, um Fehler zu sehen, zu korrigieren und sich weiter zu verbessern.

Beim Erlernen und gern auch immer wieder beim Training von Teilbewegungen, Bewegungen und Bewegungsfolgen sollte daher an erster Stelle eine langsame Ausbildung etwa nach dem Muster VENÜ erfolgen, bevor man sich daran macht, diese in zunehmende Komplexität zum maximalen Grad bzw. der höchsten lernzielstufe zu bringen, die für viele im Fechten das Gefecht/ Übungsfechts ("Freikampf") bzw. Wettkampfgefechts ist. Zwischen der Vermittlung von Bewegungen und der fehlerfreien Anwendung dieser Bewegung unter voller Belastung im (Übungs-)Gefecht, was in der Ausbildungslehre allgemein als "Beherrschen" bezeichnet wird, stehen viele Lernzielstufen mit entsprechenden Lern- und Trainingsmethoden. Aber für diese sind stets die Bewegungen LANGSAM zu erlernen, denn "LANGSAM ist FLÜSSIG und FLÜSSIG ist SCHNELL!" ;-)

Übrigens ein Thema im Rahmen der Ausbildungslehre, welches ich auch gern als Ausbilder für Ausbilder an andere Kollegen mit Ausbildungsmethoden in gesonderten Veranstaltungen ausbilden kann. Fragt mich gern an! Ich freue mich, wenn ich das erlernte samt Erfahrungen weitergeben kann.

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