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Der Kern des Fechtens - Joachim Meyers Diagramm


In einigen der alten Fechthandschriften des 15. und 16. Jahrhunderts dienen Grafiken/ Diagramme als Ausbildungsmittel. Eine Methodik, die sich bis heute in militärischen und anderen Kampfkunstausbildungen erhalten hat. Bereits das sogenannte Kölner Fechtbuch ( MS Best.7020 (W*)150, Historisches Archiv Köln) zeigt Haulinien als zielführende Visualisierung zum Erlernen der Häue. Im "Glasgow Fechtbuch" (Glasgow Museum, MS.E.1939.65.341) finden wir einen Fechter, der an seine linken Körperseite von oben nach unten durchnummeriert ist, mit der gleichen Buchstabenfolge, die später auch Joachim Meyer nutzt.

Erstmals beschreibt Joachim Meyer in einer Handschrift( MS A.4º.2, Lunds Universitets BibliotekLund, Sweden ) diese Vermittlungsmethode der alten Meister ausführlich im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts und nutzt sie für die Darstellung der gesamten Kampfkunst seiner Zeit. In seiner Rostocker Handschrift zeigt er ein umfangreiches Haudiagramm, sowie ein Diagramm für das Üben der "Versetzen". Dieses erachte ich jedoch erst für fortgeschrittene Fechter und Lehrer als sinnvoll, welche die Fechtkunst bereits vollends durchdrungen haben. Daher möchte ich als Grundlage hier sein einfaches Hau-Diagramm aus seinem gedruckten Werk von 1570 verwenden.


Zuerst stellt dieses Diagramm die Einteilung der Blößen dar, wie sie in der "deutschen Schule" beschrieben ist. Dies sind die Vier Blößen Ochs(oben rechts/links) und Pflug (untern rechts/links).


Damit stellt das Diagramm schon das grundlegende Prinzipe der Fechtkunst dar. Denn es gilt in der Kampfkunst immer die vier Blößen anzugreifen und zu schirmen. Auch die Chinesen haben dieses Prinzip, welches sie "four corner" nennen.

Zusätzlich stellt dieses Diagram grob alle möglichen "Straßen" mit den dazugehörigen Ausgangs- und Endpunkten dar, auf denen Häue, Stiche und Versetzen vollbracht werden können. Die jeweiligen Linien werden von Meyer auch bezeichnet und ihnen entsprechende Häue (auch Stiche) zugeordnet. Ich werde vorerst den Entsprechenden Linien nur Grundhäue zuordnen.

A-E: Aufrechte Linie/Scheitellinie (gerader Oberhau/Scheitelhau, senkrechter Unterhau)

B-F: Schräge oder hängende Linie/ auch Zorn- oder Streichlinie (rechterZornhau, linker Unterhau)

C-G: Zwerch- oder Mittellinie (Mittelhau rechts und links)

D-H: Schräg aufsteigende Linie(rechter Unterhau, linker Zornhau)


Hier verschiedenen Beispiele dieses Prinzip in anderen Epochen darzustellen.

Meyer hat in seinen Werken reichlich Hauübungen vermerkt, die dem Grundlagentraining dienen und stets geübt werden müssen. Eine der zentralsten und fundamentalsten Übungen von Meyer dazu ist die folgende, die sich in 4 Einzelübungen aufteilt, die ich im rechten Bild farblich unterschieden habe. Allein dieses Diagramm ermöglicht mehrere hundert Drills. Einige Drills dazu werde ich in kommenden Videos und/oder Artikeln erläutern.

Das Zentrum des Diagramms und der Fechtkunst bildet, wie auch ältere Meister immer wieder sagen, der Ort. Denn der Kreuzungspunkt der Linien ist stets das Ziel, das es zu treffen gilt und zeigt den Langort an. Dieses Ziel gilt es beim Hauen stets mit der Hut Langort in ihren verschiedenen Wendungen und Längen zu durchfahren.

Gleichzeitig können den Positionen A-H auch Huten zugeordnet werden, aus denen die Bewegungen starten oder in welchen sie enden. Dazu folgende kleine Grafik mit einigen ausgewählten Huten für Einhandwaffen exemplarisch (natürlich können alle Huten dann noch auf die andere Seite gespiegelt werden).


Auch für Stiche wurden diese Diagramme genutzt.

Jegliche Grundlagenausbildung im Handwerk des Fechtens/ Kämpfens scheint seit jeher mit einem ähnlichen Diagramm zu arbeiten. Lediglich die Darstellungsformen und die Fachbegriffe haben sich über die Jahrhunderte angepasst. Im Mittelalter waren es deutsche Begriffe, dann italienische und danach französische. Auch im 19. Jahrhundert versuchten einige deutsche Fechtmeister deutsche Begriffe zu bewahren oder gar neue zu Schaffen. Zu letzeren sei der deutschsprachige Jacop Happel genannt, dessen Didaktik der Kampfkunst ich sehr schätze.

Joachim Meyer beschreibt als erster eine umfangreiche Grundlagenausbildung, die auf diesem noch älteren Muster nach den Buchstaben A-H basiert. Er beschreibt alles, was ein Anfänger wissen muss. Dazu muss der Fechter das Buch jedoch wirklich studieren und strukturiert erschließen. Vor allem muss er das gesamte Werk mit allen dazugehörigen Wehren lesen und auch anwenden lernen. In einem Buch zu Joachim Meyer und seinen Werken, werde ich seine Didaktik und seine Methoden strukturiert aufzeigen und in einen historischen sowie einen pragmatischen Vergleich setzen.

Diese Diagrame sind für einige methaporische Verse der alten Meister eine pragmatische Darstellung. Mit Meyers Diagramm macht auch die Aussage aus der Nürnberger Handschrift HS3227a, mit welcher ich hier enden möchte, einen pragmatischeren Sinn: " [...] Von allererste~ merke vnd wisse / das der ort des swertes ist das czentru~ vnd das mittel vnd der kern des swertes aus deme alle gefechte gen / vnd weder / yn in komen"

Diesem Zitat und seinem Folgesatz werde ich mich in kommenden Artikeln widmen.

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