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Prüfungen? - Lieber Erfolgskontrollen!



Gerade in japanischen Kampfkünsten wie Karate und Judo gibt es sie. Ich meine die Rangsysteme mit Lehrer- und Schülergraden. Die Meinungen dazu sind sehr gespalten. Kurz gesagt entweder man mag sie oder man mag sie eben nicht. Auch in den historischen Kampfkünsten in Deutschland gibt es verschiedene Formen. Ich möchte mich dem Thema auf einer lernzieldidaktischen Ebene widmen. Ich selbst habe in meinem Leben viele Prüfungen erleben müssen. Jeder kennt es von der Schule, dem Studium, der Ausbildung oder Lehrgängen. Ich als Ausbilder und Lehrer, der selbst auch viele Ausbildungen, Lehrgänge und Weiterbildungen absolvieren und dann selbst leiten musste, kenne das zu Genüge.

Doch was ist eigentlich der Sinn von Prüfungen?

In der Lernzieldidaktik, die in Ausbildungen sehr oft genutzt wird, und die ich seit 11 Jahren in vielen Formen erfahren habe, geht es darum, dass der Schüler fest operationalisierte Lernziele erreicht. Schon bei der Erarbeitung dieser Lernziele sollte sich ein Ausbilder fragen, wie er das Erreichen dieser Lernziele später bei seinen Schülern kontrollieren will. Neben anderen, sind diese Kriterien wichtige Grundlagen, auf denen auch die Ausbildung gestaltet und durchgeführt wird. Es gibt viele Formen/Methoden, mit welchen man Lernerfolge kontrollieren kann, doch meist endet es etwas, das wir gemeinhin als Prüfung oder auch Test bezeichnen würden. Doch was ist eigentliche eine Prüfung?

Abgesehen davon, dass es sich um Formen/Methoden zur Kontrolle von Lernerfolgen handelt (also Formen von Erfolgskontrollen), gibt es viele Formen von Prüfungen, die direkt oder indirekt sein können. Also Prüfungen, die uns gezielt und mit unserem Wissen auferlegt werden oder jene, die wir nicht wahrnehmen. Auch das Leben ist von Prüfungen übersäht, die wir uns oft in keiner Weise aussuchen können. Manche sind sogar so heftig und beeinflussend, dass sie unser ganzes Leben in wenigen Sekunden verändern können. Doch viele verbinden in der Kampfkunst mit Prüfungen einfach Testsituationen, in denen man eine Leistung zeigen muss, um weiter zu kommen und bei denen man auch durchfallen kann. Und viele scheinen Angst vor Prüfungen zu haben, weil das Nichtbestehen einer Prüfung eine "Niederlage" darstellen könnte. Man fürchtet möglicherweise auch sein Gesicht zu verlieren oder hat andere sehr individuelle Ängste. Doch genau darum geht es bei Prüfungen nicht. Es geht nicht darum sich vor Prüfungen zu fürchten, sondern darum die Ängste zu überwinden! Was war nochmal der Sinn von Prüfungen? Es geht darum den Lernerfolg zu kontrollieren. Und dazu gehören auch affektive Lernziele. Wie etwa der Umgang mit Stressituationen. Jeder Kampf ist eine Stresssituation! Jeder Kampf ist eine Prüfung! Man hat Angst, plötzliche Selbstzweifel oder andere Symptome. Doch das sind natürliche Reaktionen, die es zu erfahren gilt. Ein Kämpfer/Fechter muss mit solchen Situationen umgehen können. Aus dieser Sicht ist es also zusätzlich sinnvoll Prüfungen durchzuführen und zu lernen damit umzugehen.

Ich mag den Begriff nicht!

Doch ich mag den Begriff Prüfungen nicht. Er ist sehr negativ belastet. Und gerade bei Anfängern und Leuten mit Angst vor Prüfungen macht es Sinn ihnen erstmal die Angst zu nehmen und das Ganze mit etwas Positivem zu verbinden. Daher nenne ich es einfach "Erfolgskontrolle". Mir geht es als Lehrer und Ausbilder darum den Erfolg zu kontrollieren, also den Ausbildungsstand meines Schülers zu erkennen und vor allem zu schauen, wo ich ihm noch intensiver helfen muss, damit er weiter vorankommt. Es geht mir nicht darum ein Bestehen oder Nichtbestehen festzustellen, was z.B. der eigentliche Sinn von Prüfungen als Unterform von Erfolgskontrollen ist. Ich sage daher auch zu meinen Schülern, dass es ihre Möglichkeit ist, mir zu zeigen, wie hart sie an sich selbst arbeiten und vorankommen wollen. Und es ist die Möglichkeit den Unterricht zu verbessern. Denn vorerst geht es für mich als Ausbilder darum anhand der Defizite meiner Schüler zu erkennen, wo meine Ausbildung möglicherweise hätte besser sein müssen. Sie fördert also auch meine Kompetenz als Lehrer zur Selbstkritik. Durch die Erfolgskontrolle kann ich also meinen Unterricht sowohl für meine Schüler verbessern, als auch meine Lehrmethoden und meine didaktischen Strukturen verbessern. Daher sind Erfolgskontrollen für mich ein zentraler Bestandteil des Unterrichts. Oft sind sie indirekt und meine Schüler bekommen sie nicht mit, doch zu gewissen Etappen der Ausbildung werden sie dann auch direkt, als festgelegte Erfolgskontrollen mit festen Frage- und/oder Aufgabenstellungen, dies es theoretisch und praktisch abzuarbeiten gilt. Oft sieht man gerade dann, wie sich die Schüler umso mehr im Unterricht anstrengen und die "Prüfung" eigentlich schon bestanden haben, bevor sie die Erfolgskontrolle antreten. Es geht in meiner Schule auch nicht darum einen Gürtel zu erlangen, sondern seine eigene Leistungssteigerung zu erkennen und sich für seine Arbeit zu belohnen. Trotzdem gibt es gewisse Module, die man "erfolgreich" absolvieren muss, um an aufbauenden Unterrichtsmodulen teilzunehmen. Denn ohne entsprechend gelegte Grundlagen, können aufbauende Ausbildungen schnell für Schüler und Lehrer zu einem Misserfolg werden. Zusammengefasst möchte ich eine Lanze für Erfolgskontrollen brechen! Da sie bei einer entsprechenden Fachkompetenz des Lehrenden in den Bereichen von Didaktik und Methodik, sowie einem guten persönlichen Verhältnis zu seinen Schülern für alle teilhabenden Personen ein Mittel sein können, um den Unterricht effizienter, professioneller, anspruchsvoller und auch spannender zu machen. Letztlich sind auch Prüfungen ein Mittel zu Transparenz und Vergleichbarkeit von Ausbildungsqualitäten. Es liegt natürlich in der Hand jeder Schule, jedes Vereins und jedes Schülers, wie er/sie mit Erfolgskotrollen umgeht und ob er sie z.B. lieber Prüfungen nennen will. Oder ob man gern Graduierungssysteme einführen möchte. Diese "Ausbaustufen" der Erfolgskontrolle sind individuelle gestaltbar. Probiert es einfach aus und seht, wie motiviert ihr damit arbeiten könnt. PS: Für weitere Fragen zu den Themen Lernzieldidaktik, Aufbau eines Lehrplans, Erfolgskontrollen etc. wendet euch gern an mich. Entsprechende Seminare zu den Themengebieten biete ich auf meiner Website an. Diese können für euch individuelle gestaltet werden. Wegen möglicher Unklarheiten noch folgender Nachtrag: Es geht nicht darum den Begriff einfach nur auszutauschen. Es geht vielmehr darum zu verstehen, dass eine Prüfung eine (Unter)Form der Erfolgskontrolle ist. Und es bleibt sehr individuell, ob man Prüfungen wünscht, oder ob es eben nicht auch eine andere Form der Erfolgskontrolle tut. Selbst bei Graduierungssystemen geht das. Erfolgskontrollen sollen erstmal grundsätzlich dem Lehrer dienen, um zu messen, ob die angestrebten Lernziele beim Schüler erreicht wurden und dann eine Lagefeststellung zu machen, warum sie etwa nicht erreicht wurden und wie ich das verbessern kann. Meistens liegt es am Ausbilder, wobei ein hohes Maß an Selbstkritik nötig ist. Erfolgskontrollen sind ein Spiegelbild der Ausbildung und des Ausbilders. Es geht erstmal gar nicht darum, ob jemand besteht oder durchfällt. Vielmehr kann man durch regelmäßige Erfolgskontrollen erkennen, wann jemand für eine abschließende Erfolgskontrolle oder eben auch Prüfung bereit ist, in der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten dann gebündelt kontrolliert werden. Eine Prüfung hat das feste Ziel entweder eine Note/Beurteilung zu vergeben oder zumindest ein Bestehen oder Nichtbestehen festzustellen und mitzuteilen. Die Zielstellung ist also spezifischer. Letztlich müssen Erfolgskontrollen in jedem Unterricht und nach jedem abgearbeiteten Feinziel stattfinden. Und dadurch, dass man darüber auch mit seinen Schülern spricht, was Erfolgskontrollen sind, nimmt man ihnen die Angst davor. Ab einer gewissen Erfahrung der Schüler im Umgang mit Erfolgskontrollen, z.B. durch Hinweise, dass es darum geht, dass Sie ihrem Lehrer ihren Leistungsstand zeigen und sich damit positiv hervortun können, und der Lehrer die Ausbildung verbessern kann, ist es dann auch Möglich „Prüfungen“ einzuführen, wenn man es möchte. Aber das ist auch sehr individuell und hängt von den Erfahrungen der Schüler mit Prüfungen ab. Hier ist maßgeblich die soziale Kompetenz des Lehrers das wichtigste und dabei seine Einschätzung des Schülers. Das muss auch jeder Lehrer bzw. jede Institution selber wissen, ob man Prüfungen mit „Bewertungen“ möchte oder braucht.

Das findet bei mir in der Schule sehr individuell statt. Bei mir gibt es kein Durchfallen, deshalb fällt der Begriff Prüfung auch weg. Bei jedem Unterricht sehe ich durch Erfolgskontrollen, wo noch Defizite sind, und stelle diese durch folgende Unterrichte ab. Mein Lehrplan hat feste Lernziele und Unterrichtseinheiten und das Curriculum ist letztlich rotierend. Und dann, wenn der Schüler bereit ist, dann setzte ich eine abschließende Erfolgskontrolle an. Es gibt dann keine Bewertung, sondern ein Feedback von mir, bei dem ich mit dem Schüler im persönlichen Gespräch intensiv aufzeige, wo er sich verbessern muss und wo er sich hervortut etc.. Aber er fällt in dem Sinne nicht durch, sondern muss gewisse Fertigkeiten verbessern und ich kontrolliere seinen Fortschritt.


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