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Von Greifen, Hauen und Stechen Teil 1: Einhandwaffen


Je nach didaktischer Struktur des Curriculums, wird sich früher oder später an jeden angehenden Fechter die Frage stellen, wie er seine Waffe zu halten hat. Und es war schon immer unmöglich einen grundsätzlichen Griff aufzuzeigen. Ich möchte in diesem Artikel eine differenzierte Betrachtung verschiedener Griffarten machen und ihre Anwendungsgebiete sowie Vor- & Nachteile aufzeigen.

Zuerst gilt es dazu das Fechtsystem zu unterteilen. Dabei ist sogar die Epoche des jeweiligen Fechtstils egal. Dieses System lässt sich nahezu auf jede Epoche anwenden. Wir fragen dazu nach der Waffe, die es zu benutzen gilt. Hier unterscheiden wir zwischen Infanterie-Wehren und Kavallerie-Wehren. Zusätzlich unterscheiden wir zwischen Wehren die für den Hau/Schnitt oder für den Stoß optimiert sind. Dabei sieht man auch ziemlich schnell den Unterschied zwischen Militärwaffen und Zivilwaffen. Und schließlich richten sich auch die Fechtstile nach diesen Fragen. Epochenspezifisch ließe sich später sehr gut darstellen, wie unterschiedlich die Vermischung und Trennung von Militär und Zivil ist. Denn danach richtet sich auch, inwiefern eine Trennung zwischen Hau- und Stichtechniken stattfindet.

Die reine Grifftechnik richtet sich vorwiegend nach der Frage, ob ich mit meiner Waffe stechen oder hauen möchte? Dabei ist es vorerst irrelevant, wofür die Waffe optimiert ist, denn was mit ihr möglich ist, merkt man durch die entsprechenden Griffe und Übungen auch sehr schnell.

Ich werde dies zuerst an Einhandwaffen darstellen und in einem Folgeartikel zum Langen Schwert übergehen.

Die Griffe zum Hauen

Griff 1:

dieser Griff wird oft fälschlicherweise Hammergriff genannt. Kein Handwerker, der seinen Hammer zu benutzen weiß, würde seinen Hammer so greifen. Ich kann nicht sagen, woher die Bezeichnung kommt. Allerdings ist dieser Griff sehr gut geeignet, um die größtmögliche Kraft in einen Hau zu übertragen, da es dabei frei schwingen kann und kaum negativ in seiner Kraftentfaltung beeinflusst wird. Dieser Griff ist vorzugsweise für schwere Militärwaffen und das Hauen geeignet. Gerade schwere Säbel haben Griffe, die für diesen Griff optimiert wurden.


Griff 2: Dieser Griff ist der durchschnittliche Griff für das Hauen aus allen Lagen und mit nahezu jeder Kategorie von Einhandwaffe anwendbar. Es ist quasi der Allrounder. Der Griff wird mit den letzten beiden Fingern fest umschlossen. Zeigefinger und Mittelfinger sind locker am Griff angehalten und der Daumen berührt den Zeigefinger. Dies ist für mich persönlich der entspannteste Griff.


Griff 3 (Daumengriff)

Hier wird der Daumen auf den Rücken das Griffes aufgelegt. Er soll die Haubewegung unterstützen. Dieser Griff ist nur bei leichten Einhandwaffen geeignet. Dabei sollte auch der Gegner eine sehr leichte Waffen haben. Denn der Daumen kann sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass der Kampf womöglich nur wegen eines unpassenden Griffes verloren wird. Kein Wunder also, dass er sich eher beim zivilen Fechten nachweisen lässt, wo die Waffen allgemeinhin leichter waren.


Griff 4 (seitlicher Daumengriff)

Das Auflegen des Daumens auf die Flachseite der Waffe, egal ob am Griff oder auf der Fläche der Klinge, wird meist als Unterstützung beim Wenden der Klinge genutzt. Gerade beim Versetzen ist dies oft der Fall, wenn Schneide oder Fläche gegen den gegnerischen Agriff gewendet werden müssen. Im Hauen wird er eher weniger genutzt. Lediglich bei "krummen" Häuen und/oder Quer- und Mittelhäuen findet er Anwendung.


Alle Griffe bedürfen einer gewissen Lockerheit bzw. Entspannung. Man stelle sich vor, man halte einen Vogel in der Hand. Hält man ihn zu fest, dann erstickt er. Hält man ihn zu locker, dann fliegt er weg. Gleiches ist auch mit einem rohen Ei und seiner Zerbrechlichkeit in der Hand darstellbar. Ich möchte mich in diesem Artikel vorwiegend auf diese 4 Griffe zum Hauen beschränken. Natürlich können diese Griffe nun in die verschiedenen 4 Blößen und 8 Haurichtungen gewendet werden. Nach Joachim Meyer sind dies die Positionen A-H. Dazu nutze man folgende Grafik zur Vorstellung. Das französische System 1-8 ist demnach nichts anders als das alte deutsche System A-H, welches sich bereits in der bebilderten Glasgower Ringeck-Kopie finden lässt ( Glasgow Museum, United Kingdom, MS E.1939.65.341, Fol. 10r.)



Hier Griffbeispiele für den Griff 2 in verschiedenen Ansichten und Varianten aus Christmann's "Theoretisch-Praktische Anleitung des Hau- und Stossfechtens"(1838) Tafel 1. Auch Christmann verweist auf die Erschütterungen, die der Daumen erfahren kann, wenn er auf der Rückseite aufgelegt wird.


Das Hauen Es gibt grundsätzlich drei verschiedenen Arten zu Hauen:

1. aus dem Handgelenk (Griffe 1,2,3,4)

Häue aus dem Handgelenk sind optimal bei leichten Waffen und/oder Waffen mit geringer Länge. Sie werden aus mittleren bis engen "Mensuren" gehauen und dienen dazu die Zeit zwischen Versetzen und Verletzen zu verringern. Sie haben wenig Kraft und sind daher auch nur geeignet, wenn der Gegner keine stärkere Kleidung/Rüstung trägt.

2. aus dem Unterarm (Griffe 1, 2, 3, 4)

Häue aus dem Unterarm finden in der weiten bis mittleren Mensur statt und können situationsbedingt einen guten Mix aus Schnelligkeit und Kraft bieten. Jedoch entblößen sie beim Ausholen stark den Arm, weshalb die Beachtung der Mensur und des Timings überlebenswichtig sind! Sie sind mit nahezu jeder Einhandwaffe möglich und immer im Repertoire eines Fechters. Die Griffe 3 und 4 sind bei dieser Hauvariante nur bedingt sinnvoll, da der Daumen beim Versetzen eine schweren Haues mit einer schweren Waffe verletzt würde.

3. aus dem ganzen Arm/ganzen Körper (Griffe 1,2,4)

Häue aus dem ganzen Arm wiederum sind die kräftigsten Häue überhaupt. Zudem bieten sie eine hervorragende Deckung, indem man dem Gegner den kompletten Arm und Körper beim Ausholen entzieht aber trotzdem schnell wieder aus dem Nach zuhauen kann. Mit der passenden Beinarbeit sind diese Häue eine hervorragende Methode gegen andere Fechter mit schweren Waffen und/oder starker Kleidung/Rüstung (sinnlose Schläge auf Metallrüstungen natürlich ausgeschlossen!).

Diese Häue sind demnach für schwere Waffen und den militärischen Gebrauch sehr vorteilhaft. Gegen einen Gegner mit leichter Klinge wiederum müssen andere taktiken gesucht werden.


Die Mechanik von Schwert und Körper zum Hauen ist einen extra Artikel wert. Daher gehe ich hier nicht auf die entsprechende Physik von Waffe und Körper ein. Es sei jedoch gesagt, je weniger einzelne Finger, hier vorwiegend der Daumen, Einfluss auf die Hau-Bewegung nehmen, umso kräftiger und gleichmäßiger wird der Hau.

Die Griffe zum Stechen:

Zum Stechen sind die Griffe bei Einahndwaffen nicht wirklich vielfältiger. Jedoch wird mit Stichen anders versetzt als mit Häuen und Huten, weshalb es manch ungewöhnliche Handstellung im Vergleich zum Hauen gibt. Als Ausgangslage zum Stechen entspringen sie vorwiegend den Griffen 2 und 4. Bei diesen Griffen geht es darum die Kontrolle über den Ort der Klinge zu bekommen, um besser stechen zu können. Dazu braucht man ein noch viel lockeres Handgelenk und übt nicht selten auch Druck auf den Griff aus. Auch hier werden die Griffe nach dem Meyer-Diagramm gewendet. Allerdings gibt es hier mehr Varianten des Wendens und somit werden nicht nur kurze und lange Schneide nach den Hau/Stoßrichtungen gewendet, sondern es können aich die Flächen gegen diese Linien gewendet werden. Ein nicht geringer Unterschied zum Wenden beim Hauen. Als Beispiel führe ich hier daher eine Grafik moderne Grafik mit französischen Fachbegriffen an, welche die Griffe zum Stich gut darstellt.


Stiche sind natürlich aus allen Positionen A-H möglich, was grob den Huten Ochs/Stier und Pflug/Eber entspricht. Die folgend dargestellten Handpositionen mit Daumengriff ähneln zwar noch sehr dem Griff 3 zum Hauen aus dem Handgelenk. (Nach alter deutscher Fecht-Sprache würden wir diese Positionen als rechten Ochs/Stier bezeichnen also die Postionen zwischen A-C im Meyer-Diagramm) Doch die verkehrten/gewendeten Varianten im darauffolgenden Bild zeigen den Unterschied zur Hauvariante.


In der folgenden Grafik sieht man sehr schön, dass es geöffnette Griffe speziell für den Stich gibt. Hier ist z.B. die Position Quarte Over zu bennen, aus welcher der Ort hier von oben zum Stich eingehängt wird. Diese Position enspricht dem deutschen, hier auswendigen, Ochsen/Stieren.


Jegliche Variante an Gefäßen mit Ringen, Bügeln oder anderen Vorrichtungen diente und dient stets dazu diese Griffweisen zu verbessern bzw. zu fixieren.

Aus dieser kurzen Darstellung wird allerdings bereits eines deutlich. Es gibt einen großen Unterschied zwischen Griffen für das Hauen und das Stechen. Zusätzlich kann sehr schnell erkannt werden, welche Waffen das Hauen und welche das Stechen fördern, wenn man die entsprechenden physikalischen Referenzpunkte der Waffen misst. Bereits das Gewicht spielt beim Hauen und Stechen sowie den entsprechenden Griffmöglichkeiten eine wesentliche Vergleichsgröße. Gerade bei Einhandwaffen müssen Waffen, die für den Stich optimiert sind leichter sein. Es lässt sich auch im Zusammenhang mit den Fechtbüchern und den kulturellen Hintergründen schnell ein großer Unterschied zwischen Zivilwaffen und Militärwaffen darstellen. Zivilwaffen sind meist viel leichter und für den Stich ausgelegt, während Militärwaffen meist schwerer und für den Hau optimiert sind, je nachdem, welche Kleidung oder Rüstung beim Feind zu erwarten ist. Gerade im Mittelalter, vorzugsweise in den Städten, verschwommen die Grenzen zwischen Zivil und Militär sehr stark, da die Bürger sowohl im Alltag Waffen tragen konnten, als auch bei ihrer Bürgerpflicht zum Wehrdienst mit gerüsteten Feinden zu rechnen hatten. Je nach Vermögen konnten sich daher manche eher lediglich einen Allrounder und andere wiederum mehrere spezifische Waffen leisten. Aber auch die Frage nach der Form der Klinge ist sehr entscheidend. Denn krumme Klingen eignen sich weniger zum Stich, als gerade Klingen. Zum einen verlieren sie durch die Krümmung an Reichweite und zum anderen lässt sich im Stich nur schwer der Ort kontrollieren und ausrichten. Es wundert daher kaum, dass der Dussack die Grundlage für das Erlernen der Häue für alle Einhandwaffen ist und im Schwert und später auch im Rapier mehr auf die Stiche eingegangen wird. Das eher gerade Messer stellt dabei einen guten Allrounder dar, der sehr gut Hauen kann und durch die oft geringe Biegung trotzdem kontrollierte Stiche erlaubt. Kein Wunder also, dass diese Waffe oft in Verbindung mit Militär und Bürgertum zu finden ist.

Dieser kleine Einblick soll nur aufzeigen, wie wichtig das Wissen um die verschiedenen Griffe und Waffenarten ist. Daher ist es in meinem Curriculum bzw. meinem Lehrplan in den ersten zwei Jahren der dreijährigen Grundlagenausbildung sehr wichtig, zwischen Hau und Stich zu unterscheiden. Zuerst lernen meine Schüler die Häue mit allen dazugehörigen zusätzlichen Lernzielen und dann, nach ca. eineinhalb Jahren die Stiche.

Vielleicht scheint dieses Thema für manchen nun sehr groß. Doch mit strukturiertem Unterricht und dem passenden Training, versteht man dieses System. Vor allem zeigt sich, wie ähnlich die Methodik des alten deutschen Systems mit Buchstaben (nach Meyer und älteren) und dem späteren Zahlensystem ist. In einem späteren Folge-Artikel werde ich daher die Bedeutung des Meyer-Diagramms darstellen, welches die Grundlagen des alten Fechtsystems darstellt. Doch zuerst werde ich euch in den kommenden Wochen Teil 2 zum Langen Schwert liefern.

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