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Turniersystem um 1900: den ganzen Fechter ausbilden


Will man einen Sport groß machen, dann muss man den Leuten die Möglichkeit geben, sich im Wettkampf zu messen und auch Publikum dazu zu animieren. Kurzum er muss möglichst viele Menschen ansprechen. Durch Wettkämpfe macht er dies. Diese Aussage und die Frage inwiefern Wettkämpfe darüber hinaus den ganzen und vollen Fechter bilden können, also ob sie das Fechten verfälschen oder verbessern können, war bereits für unsere Vorfahren von großem Belang. Insbesondere für jene, für die das Kämpfen Beruf war. Am k.u.k. Militär Fecht- und Turnlehrerinstitut, welches 1881 neu gegründet worden war, versuchte man stets Fechten so auszubilden, das Unteroffiziere und Offiziere Wissen und Können erlangten, welches für den Ernstkampf zweckmäßig war. Die Unteroffiziere und Offiziere, waren genau wie heute auch Ausbilder ihrer Mannschaften und sollten als Multiplikatoren das erlernte an ihre Männer weitergeben.


Lehrkörper Stehend in der Mitte: Oblt. Verderber, davor sitzend der Kommandant, Major Tenner


Florettfechten am Institut


Bajonettfechten am Institut

Ein Oberleutnant namens Josef Bartunek ließ sich in seinem " "RATGEBER FÜR DEN OFFIZIER ZUR SICHERUNG DES ERFOLGES IM ZWEIKAMPFE MIT DEM SÄBEL"[1] ausführlich über die zeitgenössischen Fechtlehren mit allen wissenswerten Zusammenhängen aus. Bartunek hatte wohl eine Ausbildung an dem oben genannten K.u.k. Militär Fecht- und Turnlehrer-Curs erfahren und war davon sehr beeindruckt und geprägt worden. In seinem Werk findet sich auch die Beschreibung, wie man sich gut auf den Ernstkampf vorbereiten könne. Zuerst war ihm eine grundlegende und intensive Ausbildung wichtig. Wobei er selbst nach der sich verbreitenden und in besagtem Institut aufgenommenen italienischen Schule der Zeit ausgebildet worden war. Ganz im Gegenteil zu vielen seiner Vorgängern, die er als "Handgelenksfechter" bezeichnet. Erst mit fortgeschrittener Ausbildung lernte der Fechtschüler das Erlernte in Übungsgefechten (Assauts) anzuwenden. Eine besonders realistische Form, um den Fechter auf die psychischen, physischen und taktischen Herausforderungen vorzubereiten, sahen laut Bartunek die Lehrer am Institut in besonderen Wettkampf- bzw. Turnierformen, die in ihrem Ablauf und Reglement drauf ausgerichtet waren eine Erzieherische Maßnahme für den Ernstkampf darzustellen. Die sehr komplex erscheinenden Turnierformen, die dabei gezielt gemischt wurden, lassen aber deutlich erkennen, wie viel Wert man dabei auf die Sinnhaftigkeit der Fechtaktionen und des charakterlichen und überlebensnotwendigen Verhaltens der Fechter legte.

Zuerst lässt er sich darüber aus, dass "früher" keine Turniere gefochten wurden.

"Dass die französische Schule Jahrzehnte hindurchin ihrer Entwicklung stagnierte und sich nicht zur künstlerischen Vollkommenheit entwickeln konnte, lag hauptsächlichin dem Umstände, dasz man in früherer Zeit das Fechten viel weniger vom Standpunkte des Sportes betrieb und dies meist nur als eine für das Duell vorbereitendeTätigkeit betrachtete. Es gab keine öffentlichenFechtakademien, keine Turniere, kein ausgesprochenes Klubsportsleben, keine Verbindung der Fechtsäle untereinander, keine Sportliteratur etc. Dies hatte seinen Grund in den Mängeln der Schule, die eben viel zu ungenaue Bestimmungen, zuwenig geistiges Konzept in der Auffassung der fechterischen Aktionen enthielt, um überhaupt eine richtigeGrundlage zur Beurteilung der effektiven fechterischen Stärke und des künstlerischen Grades zu bieten. Selbst Poule-Fecht-Turniere wurden nicht abgehalten, weil in dem Bestreben möglichst viel Touche auszuteilen, jeder Gang meist mit einem Double geendet haben würde. Da die Regeln der damaligen Schule jedes Double beiden Fechtern als Touche zählten, so konnte auch der schlechteste Fechter durch stetes Mit- und Nachhauen zumindestens denselben Erfolg wie der bessere Fechter erzielen. Daraus folgt, dasz bei solchen Turnierregeln das Fechten einen anderen Charakter annahm wie im Ernstfalle, wo ein Double nur dann eintritt, wenn beide gleichzeitig schlagen und treffen. In der italienischen Schule zählt deshalb nur im „tempo communi" das Touche beiden Fechtern. Im Ernstfalle zwingt ein daherschwirrender Hieb oft instinktiv zur Parade, nicht so leicht aber zum Mithauen, während im Fechtsaale, wo mit Schutzmitteln gekämpft wird, ein derartiger Hieb damals meist nicht beachtet, sondern gleichzeitig mit- oder nachgehauen wurde, da keine hemmenden Regeln ein derartiges Verfahren einschränkten.• Der natürliche Einflusz des Selbsterhaltungstriebes in der instinktiven Parade ist in der italienischen Schule durch genaue empirisch begründete Regeln in der Zuerkennung des Double (incontro) zum Ausdrucke gebracht, welche eine gerechte Beurteilung der fechterischen Stärke möglich machen"

(Ebenda S. 34 f.)

Er meint es habe keine Wettkämpfe gegeben, weil es ohne die seinerzeit von den Italienern eingeführten Regeln keine realistisch auswertbaren Gefechte habe geben können, weil es ständig Doppeltreffer gegeben hätte. Ein Problem, vor dem auch unsere junge Szene auch ständig steht und die mir mit seinen historischen Lösungsansätzen auch für uns zu lösbar scheint.

Erst durch das Trefferreglement der Italiener, welches um 1900 Verbreitung fand, sei nach Bartunek eine realistische und dem Erntskampf entsprechende Beurteilung von Gefechten möglich geworden.

Die italienischen Reglements bereiten für den Ernst vor

"Ein Sportzweig, der nicht so beschaffen ist, dasz er uns in die Möglichkeit versetzt, bei einer öffentlichen Konkurrenz eine gerechte Beurteilung der sportlichenLeistungen zu treffen, kann sich niemals hoch entwickeln.Beim Fechten mit Maske, Handschuh und stumpfen Säbel kann eine Beurteilung, welche nur den Erfolg des Treffens allein ohne Rücksicht auf Einhaltung der Regeln berücksichtigt, niemals eine vollkommene sein, weil bei einem solchen Kampfe jene psychologischen Einflüsse, die sich im Duell infolge des Eindruckes der Gefahrfühlbar machen, nicht in Betracht gezogen werden, was zur Folge hätte, dasz man bei einem Konkurrenzkampfe anders kämpfen würde, als im Kampfe mit scharfgeschliffenen Waffen. Dies würde hauptsächlich in dem Bestreben zum Ausdruck kommen, stets mit- oder nachzuhauen, was ein stetes Doubleschlagen herbeiführenmüszte. Die italienische Schule, deren Regeln für die Beurteilung des Double aus jenen Erfahrungen, die sich im Ernstkampfe beobachten lassen, resultieren, hat auch hierin feststehende Grundsätze geschaffen, welche eine gerechte Beurteilung ermöglichen. Dies ist der Grund, warum auch in der Armee erst seit Einführung der modernen Schule Fechtturniere abgehalten werden." (Bartunek, Erfolgssicherung S. 64f.)

Vom Sinn des "Angriffsrechts"

"Führt man einen Tempohieb oder Arretstoss aus, so hat man unter allen Umständen ein Incontro (Doppelhieb)zu vermeiden, indem man sich im ersteren Falle durch einen »Sprung rückwärts« dem Angriffsbereiche des Gegners entzieht, im zweiten Falle aber den Schlusshieb des Gegners mit dem Arretstosse sperrt. Wenn in künstlerischer Beziehung das Vermeiden eines Incontros Gesetz ist, so ist es auch vom praktischen Standpunkte der Fechtkunst eine gebotene Regel, welche sagt: »Treffen, ohne getroffen zu werden. Die Kunst lehrt uns genaue Normen, um Incontrizu vermeiden; studirt man nun das Assaut in praktischer Weise, so hat man sich streng an die Regeln derselben zu halten. Dies gilt ganz besonders für den Fechtsaal, wo man sich genauestens den Anforderungen der Kunst unterwerfen muss, selbst wenn es sich darum handelt, eventuell die Schnelligkeit aufzuopfern. Wenn man nach diesen Grundsätzen studirt, wird man zum Schlüsse mit künstlerischen Mitteln das erreichen, was man in der Praxis braucht. Nach allgemeinem Grundsatze hat der Angreifer sozusagen das Treffvorrecht, aber auch er ist gewissen Specialbedingungen unterworfen, unter welchen dieses Recht für ihn gilt. Wer mit einer Action auf die gegnerische Klinge angreift, d. h. des Gegners Eisen zu fassen sucht, aber durch eine Cavation ins Tempo daran verhindert wird, verliert jedes Vorrecht seines Hiebes vor dem des Vertheidigers. Diese Theorie gründet sich nicht nurauf augenscheinlich logische Grundsätze, sondern basirt auch auf dem Vermögen, den menschlichen Selbsterhaltungstrieb beeinflussen zu können. In gleicher Weise macht man den Angreifer, während er mit einer Finte angreift, an eine Tempo-Action glauben, welche ihn zu einer Parade verleitet; so erwirbt man das Recht, zu schlagen, obgleich mander Angegriffene ist.Das Vorrecht der Giltigkeit des eigenen Hiebesvor dem gleichzeitigen des Gegners ist wechselnd,und man kann dasselbe in einem einzigen Gange des Gefechtes gewinnen oder verlieren."

(Luigi Barbasetti, Säbelfechten (ins Deutsche übersetzt), S. 125)

Unterschieden wurden bei Turnieren nach Bartunek in drei grundlegende Turnrierformen: das Klassifikationsturnier, das Poulefechten/ Pouleturnier und die Fechtakademie.

Klassifikationsfechten: "Im Klassifikationsfechten wird, auszer dem Erfolgdes Treffens, hauptsächlich die effektive fechterischeStärke, dann die Schönheit und Korrektheit der Bewegungen,das geistige Konzept und die genaue Einhaltungder fechteriscnen Regeln beurteilt. Die Fechterwerden hiebei mit Punkten von 1 — 10, oder auch 1 —20 klassifiziert. Die Anzahl der Punkte im Durchschnitteergibt die Rangfolge. Derjenige, der die meisten Punkteerhält, ist der Beste.Es ist natürlich, dasz jeder Fechter bestrebt seinwird, hiebei schulgerecht und genau nach den Regelnder Kunst zu arbeiten, denn je vollkommener wir dieKunst beherrschen, desto gröszeren Wert hat schlieszlichauch unser fechterisches Wissen. Im Klassifikationsfechtenwerden die Paare gewöhnlich ausgelost, da diegrosze Zahl der Konkurrenten es meistens nicht zuläszt,dasz jeder mit jedem fechte. Es soll jedoch angestrebtwerden, die Konkurrenten mit einer gröszerenAnzahl von Gegnern fechten zu lassen, damit sie ihre Kenntnisse umso ausgiebiger zeigen könnten. Diejenigen,welche schon auf Armee-Fechtturnieren in der Gruppeder Amateure konkurriert haben, werden wissen, vonwelch folgenschwerem Einflüsse es ist, wenn man dasPech hat, mit gewalttätigen Touchefechtern ausgelost zuwerden, da solche die bestkombiniertesten Aktionen störenund das ganze Assaut seines künstlerischen Wertes berauben.Dieser Umstand kann namentlich für solcheKonkurrenten von Nachteil sein, die den Wr.-Neu StädterSpecialkurs nicht absolviert haben, da sie der Jury, welchezum gröszten Teile aus Lehrern am Fechtkurse besteht,unbekannt sind, während die Kursier, die bei jedemArmee-Turniere circa 80 — 85% der Konkurrenten ausmachen,meist ehemalige Schüler der Jurymitglieder sind,daher von diesen genau beurteilt werden können.Im Turnierrange und in der Durchschnittsanzahlder Punkte kann jeder Fechter den Orad seiner Beurteilungerkennen. Hat die Jury richtig geurteilt, somüszte in der Poule, mit geringen Abweichungen, dieselbeRangfolge eintreten.Nun, wenn die Jury so beschaffen war, wie sie seinsoll, und genau nach den Regeln der italienischen FechtkunstRecht gesprochen hat, dann wird diese Rangfolgeauch in der Poule annähernd dieselbe sein.Jeder erfahrene Turnierfechter wird dies in seiner Praxis bestätigt finden." (Bartunek, Erfolgssicherung S. 103 f.)

In vielen "Mischturnieren" diente das Klassifikationsfechten dazu, die Fechter zu testen, ob sie reif genug sind, in dem jeweiligen Turnier teilzunehmen. Also z.B. auch, um Fechter die ihre Gewalt nicht zügeln konnten oder sich nicht an die Regeln hielten rechtzeitig zu erkennen und aus dem Turnier zu nehmen. Zusätzlich konnten de Fechter in etwa gleichstarke Poules (Gruppen) getrennt werden, die dann untereinander im Poulefechten (jeder kämpft einmal gegen jeden) um die Ehrenpreise kämpften.

Poulefechten

"Unter »Poulefechten" versteht man ein Assaut, wo lediglich der Erfolg des Treffens entscheidet, die Ausführung ist hiebei nebensächlich. Der Umstand, dasz manchmal nur ein einziger Touche uns gänzlich jenes Erfolges beraubt, den wir heisz ersehnt haben, dasz weiter seine kleine Indisposition, eine minimale Sorglosigkeit von entscheidendem Einflüsse auf den Erfolg sein können, lassen diesen Kampf dem Ernstkampfe annähernd gleichkommen. Wenn auch nicht mit scharfgeschliffenen Waffen gekämpft wird, so hütet sich doch in der Poule jeder Fechter vor einer Berührung durch die gegnerische Klinge wie vor dem Feuer, da solch ein Touche oft Sieg oder Niederlage entscheidet und uns von der Höhe des sportlichen Erfolges jäh hinunter stürtzen kann. Dies hat eine enorme Anspannung unserer geistigen und körperlichen Energie und der Nerventätigkeit zur Folge, welche uns die Entscheidung in blitzschnellen Aktionen suchen läszt. Die Erregung der angespannten Nerven dürfte hier in ähnlichem Masze einwirken wie im Ernstfalle. Daraus erhellt zur Genüge welche Erfahrungen wir in der Poule uns für den Ernstkampf aneignen können; denn erst hiedurch können wir wahre Kampfroutine erlangen. Es ist natürlich, dasz die Indisposition in der Poule eine hervorragende Rolle spielt. Diese Art Kampf lehrt uns daher die Mittel, um Seelenzustände, welche eine Indisposition in der Poule herbeiführen, durch die Energie des Willens zu paralysieren. In der Poule konkurrieren die Fechter, je nach ihrer Anzahl, in 1, 2 oder 3 Gruppen, jeder mit jedem, u. zw. auf einen oder auf drei Touches. Die Besiegten werden ausgeschaltet und die Sieger konkurrieren dann in einer engeren Poule. Sind z. B. in der engeren Poule dann acht Fechter geblieben, so konkurrieren diese wiederuntereinander, jeder mit jedem. Derjenige, der alle besiegt hat, d. h. hier sieben Siege aufweist, bleibt Sieger. Es werden daher blosz in der engeren Poule hier 7 mal 8, d. i. 56 Assauts geschlagen. Man kann sich nun denken,welche Kampfroutine der Fechter sich in einem solchen gewalttätigen Poulekampfe aneignen kann. Ein in der Poule erkämpfter erster Ehrenpreis hat daher in diesem Falle annähernd denselben moralischen Wert für uns, als ob wir aus sieben Duellen als Sieger hervorgegangen wären. Solch ein Preis ist, wie man zugeben musz, heisz errungen worden. Die Turniererfahrung bestätigt uns, dasz die in der Klassifikation erlangte Rangfolge in der Poule annähernd dieselbe bleibt und nur höchstens um 3 bis 4Plätze abweicht: ein Beweis von der Vorzüglichkeit der Schule; denn diese geringen Unterschiede in' den Plätzen werden nur durch die jeweilige Disposition jedes einzelnen im Assaut hervorgerufen."

(Ebenda S. 104 f.)

Bartunek sieht also neben vielen mentalen Trainingsbezügen in dem Poulefechten die beste Vorbereitung auf den Ernstkampf. Sagt aber an anderer Stelle auch ausdrücklich(!), dass an solchen Turnieren nur Fechter teilnehmen sollten, die bereits eine umfassende Fechtausbildung genossen haben und neben dem "Können" auch über das entspreche "Wissen" verfügen.

Fechtakademien

"Fechtakademien sind öffentliche fechterische Produktionen ,die den Zweck verfolgen, das Sportinteresse zuheben, indem sie uns vor einem groszen Publikum,das teils aus Fechtern, teils aus Herren und Damen der Gesellschaft besteht, eine Reihe von schulgerechten Assauts, meist erstklassiger Fechter, vor Augen führen. Durch die vorgeführten künstlerischen und wohl durchdachten Aktionen sehen wir in diesen Assauts die Fechtkunst vom ästetischen und moralischen Standpunkte aufgefaszt, die — um eben künstlerisch zu sein — uns die logische Entwicklung von wohl überdachten Ideen und Konzepten darbietet. Obzwar der Erfolg des »Treffens" hier nur insoweit von Bedeutung ist, als er die persönliche Eitelkeit der Fechter berührt, so sind solche Akademien vom Standpunkte der Kunst doch von hervorragender Bedeutung, da die Fechter unter dem Eindrucke des zusehenden Publikums, besonders, wenn sich in dessen Reihen hohe Würdenträger und Damen der ersten Gesellschaft befinden, angespornt werden, sich schöner, korrekter, tadelloser in Bezug auf Ausführung und Präzisision der Bewegungen zu zeigen, und namentlich dazu verhalten werden, die künstlerischen Regeln nicht auszer acht zu lassen. Je tätiger der Geist arbeitet, je schöner das Konzept, desto künstlerischer wird auch die Reihe der vorgeführten Aktionen sein. Bei solchen Akademien fungieren einige Sachverständige als Jurymitglieder, während einer der anwesenden Meister oder ein erstklassiger Fechter die Rolle des Kampfleiters (maitre d'assaut) übernimmt."

(Ebenda S. 99 f.)

Fechtakademien sind also Aussauts (Gefechte) zwischen erfahren Fechtern, die mit der Zielstellung gefochten werden, möglichst technisch und taktisch versiert zu fechten, um dem Publikum sein fechterisches Können und Wissen zu zeigen. Es wird allerdings trotzdem auf Treffer gefochten. Diese werden aber nicht stark bewertet oder eine Rangliste festgestellt. Sondern es diente eher der Demonstration oder mit einer Jury eben auch der Klassifikation, ähnlich einem Klassifikationsturnier, jedoch werden hier, wie sich aus den unten aufgeführten Turnierregeln Bartuneks sehen lässt, die Fechter/Meister/Lehrer bestimmt bzw. nominiert, die an dieser Wettkampfform teilnehmen dürfen.

Über Kampfrichter lässt sich Herr Bartunek auch ausgiebig aus. Dazu habe ich folgende Zitat als Beispiele ausgewählt.

"In der Jury eines Fechtturniers sollen namentlich keine solchen Sachverständigen richtern, die aus irgendeinem Grunde in ihrem Urteile die Möglichkeit der Bevorzugung eines Konkurrenten befürchten lassen. Deshalb sollen bei Amateurfechtturnieren keine solchen Zivilfechtmeister als Jurymitglieder gewählt werden, deren Schüler am Turnier mitkonkurrieren, vielmehr an deren Stelle ertsklassige Amateure als Juroren fungieren. Beieinem Offiziersturniere sollen womöglich nur diplomierte Fechtlehrer Jurymitglieder sein. Als Kampfleiter und Kampfrichter sollen nur erstklassige Autoritäten wirken." (Ebenda S. 103)

"Während beim Klassifikationsfechten die Assauts blosz vom Kampfleiter (maitre d'assaut) geleitet werden,steht in der Poule neben jedem Fechter ein Kampfrichter,welcher eine stattgefundene Berührung durch die gegnerischeKlinge feststellt. Hiebei wird hier auch, wie im Duell, zuerst „Stellung" und dann „Los" kommandiert." (Ebenda S. 106)

"Die Kenntnis dieser Regeln allein bedingt noch nicht, dasz jedermann sich zum Richter in einem Fechtturnier hinstellen kann, denn ihre Anwendbarkeit auf die verschiedenen, oft blitzschnells ich abspielenden Fälle, die sich uns im Assaut darbieten, erfordert vor allem vollkommenes fechterisches Wissen zum Verständnis der fechterischen Aktionen, weshalb Mitglieder in der Jury eines Fechtturniers nur Fechtmeister oder solche Amateure sein können, die in der Sportswelt allgemein als erstklassige und vollkommene Fechter anerkannt sind."

(Ebenda S. 101)

Auch in Bezug auf Jurymitglieder, Kampfleiter und Kampfrichter werden hier klare und logische Bedingungen genannt. Wichtig ist hier die Fachkompetenz, um Jurymitglied zu sein. Ein Jurymitglied soll demnach ein beruflicher Fechtmeister oder ein in der Sportwelt als vollkommener Fechter anerkannter Amateur sein. Dies ist daher logisch, als dass die Jury vor allem in Klassifikationstfechten und Fechtakademien die Kompetenzen der Fechter beurteilen muss und eben nicht die Treffer. Zu den Punkten, die es zu beurteilen gilt siehe untern die Turnierregeln §14. Es wird auch Bezug zu möglichen Bevorzugungen eigener Schüler genommen, um die Objektivität zu waren. Leider scheint es mir, dass es heute schwieriger ist eine diesen Regeln entsprechende Jury zusammenzustellen.

Die Waffen

"Doch statt eines für den Stich brauchbaren Griffes hat diese Waffe den kurzen, am unteren Ende etwas abgebogenen Griff des magyarischen Krummsäbels, d. h. sie ist hauptsächlich für den kräftigen geschwungenen Hieb konstruiert. Der Stich mit dieser Waffe kann niemals genau sein; man kann zwar stechen, wird jedoch nicht immer genau dorthintreffen, wohin man stoszen wollte, und dies ist sehr wichtig, da der Stosz nur dann sicher ist, wenn er ind ie Organe eindringt, nicht aber irgendwo an einem Knochen stecken bleibt. Für eine fechterische Säbelführung, wie sie die moderne Schule lehrt, ist dieser Griff und auch die Schwergewichtsverteilung der Klinge ungünstig zu nennen, womit zwar nicht gesagt ist, dasz der moderne Fechter nicht kräftig genug mit dieser Waffe hauen kann, denn dazu ist sie wohl tauglich — doch meist nur dazu allein. Warum der Infanterie-Offizierssäbel keinen breiteren Korb zum Schutze der Faust hat, entzieht sich meiner Beurteilung.

Das Bestreben, eine handliche Waffe in der Hand zuhaben, führt heutzutage oft dazu, dasz man beim Fechten leichte und schmale Klingen anwendet. Diese Unsitte ist nicht genug zu verwerfen. Man sollte deshalb bei Fechtturnieren in der Poule (Entscheidungskampf, wo nurdie Zahl der Touche den Erfolg entscheidet) stets nur entsprechend gewichtige Säbel anwenden dürfen."

(Ebenda S.29 f)

Auch passend zum Thema Waffen. Hier seht ihr eine alte militärische Tradition. Wenn Offiziere an eine neue Einheit versetzt werden, bekommen sie meist von ihren Untergebenen Soldaten ein Geschenk als Andenken. Die unter Oskar Schadek von Degenburg dienenden Fecht- und Turnlehrgehilfen scheinen ihn sehr geschätzt zu haben, da sie ihm 1895 zu seiner Versetzung folgende Geschenke machten.

Interessant scheinen mir auch die Hinweise in den Reglements darauf, wie man "Gedresche" und sinnlosen Verletzungen trotz geringerer Schutzausrüstung entgegengetreten ist. Dazu findet man etwas in den unten aufgeführten Turnierregeln. Demnach war es den Fechtern selbst überlassen, was sie tragen wollten. Mindestens aber eine Kleidung aus festem Tuch und eine Fechtmaske. Rohe Gewalt wurde verabscheut, wie man den folgendem Zitat aus der Ausbildungsvorschrift des K.u.K. Fechtlehrer-Curs entnehmen kann.

"Sowohl beim Rapier- als auch beim Säbelfechten wolle man sich aller stärkeren Stöße, bzw. Hiebe als nöthig enthalten; sollte jedoch wider Willen ein stärkerer Stoß oder Hieb fallen, so hat sich Derjenige, der ihn gegeben hat, sofort zu entschuldigen; der Getroffene muss jedoch so weit Mann sein, sich auffallender Schmerzensäußerungen zu enthalten." (Der K. UND K. MILITÄR-FECHT- U. TURNLEHRER-CURS IN WIENER-NEUSTADT, Wien 1892, S. 32)

Mit Bezug zu dem Klassifikationsfechten vor jedem Pouleturnier, wo auch das Maß an Gewalt und das Einahlten der Regeln von der Jury bewertet werden, kann ein solches konsequent durchgesetzte Reglement meines Erachtens tatsächlich dazu führen, dass Turniere auch heute maßvoll mit minimaler Schutzausrüstung gefochten werden können. Wobei minimale Schutzausrüstung im Falle von IN MOTU trotzdem einen festen Sicherheitsstandard bedeutet.[2]

Bartunek selbst hatte zudem auch das Turnierreglement für das Fechtturnier des 5. Korps gestaltet, welches vom Offiziers-Fechtklub in Esztergom im März 1903 veranstaltet wurde.

Neben dem Reglement, welches ich weiter unten aufführen werde, beschrieb er auch ausführlich den Sinn und Zweck sowie die Vor- und Nachteile der damaligen Turniersysteme inkl. den Voraussetzungen für gute Kampfrichter. Es handelt sich dabei um einen unschätzbaren Erfahrungsschatz, den Oberleutnant Bertunek in seinem Werk mit uns teilt.

Turnier-Reglement 1903

§1. Das Turnier ist offen für Offiziere und Kadetten des 5. Korps und der im Korpsbereiche dislocierten k. ung. Landwehrtruppen. Diplomierte Fechtlehrer können nicht konkurrieren.

§2. Das Fechtturnier findet am 21. März 1903 in den Saallokalitäten des «Bad-Hotels« in Esztergom statt.

§3. Die Mitglieder der Jury sind durchwegs diplomierte Fechtlehrer des Korpsbereiches (Obmann war Hptm. Tenner). Die Jury wählt aus ihrer Mitte einen Sekretär und bestimmt die Kampfrichter. Die Entscheidungen der Jury sind inapellabel.

§4. Der Namensaufruf erfolgt am 21. März 8 Uhr Früh im groszen Saale des „Bad-Hotels".

§5. Waffe für das Turnier ist: der Säbel. Die Turniereinlage beträgt für jeden Konkurrenten 5 K. Die Anmeldungen sind bis längstens 5. März an den Ausschusz des Offiziers-Fechtklubs einzusenden.

§6. Die Jury entscheidet über die Zulässigkeit der verwendeten Waffen, welche vor Beginn des Turniers der Jury vorzuzeigen sind und das Masz der im Fechtsaale gewöhnlich gebrauchten Waffen nicht überschreiten dürfen.

§7. Hinsichtlich der Kleidung beim Fechten ist jede Freiheit gestattet; es musz jedoch der Oberkörper, der Hals und der rechte Arm durch ein festes Gewebe geschützt sein. Stoffe, welche die Stösze abgleiten lassen, und breite Ledergürtel sind nicht zuläszig. Die Masken müssen ein solches Geflecht haben, dasz sie das Eindringen des Säbels zuverlässig verhindern. Für die genaue Beobachtung dieser Bestimmungen sind die Teilnehmer persönlich verantwortlich.

§8. Die giltige Blösze ist im Säbelfechten der ganze Oberkörper mit Einschlusz des Kopfes und der Arme.

§9. Jeder innerhalb den giltigen Blösze getroffene Fechter hat innezuhalten, indem er dies durch den Ruf „Touche" kundtut Auch wenn nicht genau die vorbezeichnete Blösze getroffen wurde, hat der getroffene Fechter dennoch seine Aktion abzubrechen und „Touche" zu rufen. Die Jury wird dann entscheiden, ob der Stosz (Hieb) giltig ist oder nicht. Die Entwaffung zählt nur dann als „Touche," wenn sie beabsichtigt war, worüber die Jury entscheiden wird.

§ 10. Wenn ein Fechter soweit zurückweicht, dasz er die Grenze des zugewiesenen Raumes erreicht, so musz er bis zur Entscheidung weiter fechten, falls es ihm nicht gelingt, das verlorene Terrain wieder zu erobern.

§ 11 Das Double wird jenem Fechter als »Touche" gezählt welcher sich nicht an die Regeln der Fechtkunst gehalten hat. Das Tempo communi wird, wenn es das erstemal vorkommt, nicht zum Nachteile der Fechter in Betracht gezogen; ereignet es sich ein zweitesmal, so wird es beiden Fechtern als »Touche" gezählt. § 12. Die Beurteilung der Leistungen der Konkurrenten geschieht in Klassifikationsassauts. In dieser Probe werden die Fechter mit Punkten von 1 bis 10 klassifiziert.

§ 13. Die Art und Weise der Zusammenstellung der einzelnen Klassifikationsassauts richtet sich nach der Anzahl der teilnehmenden Fechter. Entweder wird jeder Teilnehmer mit allen anderen fechten oder werden die Gegner ausgelost werden. Jeder Fechter musz jedoch mindestens 3 Assauts machen. Der Jury steht in diesem Falle das Recht zu, einzelne Fechter auch auszertourlich zu einem Assaut zu bestimmen.

§ 14. Bei der Beurteilung der Leistungen in den Klassifikationsassauts wird in erster Linie schulgerechtes Verhalten, fechterische Höflichkeit und das Bekennen der empfangenen Touches beurteilt, ferners auf das strenge Einhalten der Fechtregeln und der ritterlichen Formen, die Richtigkeit der Fechtstellung und die Schönheit der Körperhaltung, die Korrektheit der Hiebe, Stiche und Paraden, die Einhaltung der Mensur, die Regelrechtigkeit der Bewegungen, die Raschheit der Ripost, die Sicherheit der Vorhiebe, des Battierens, der Stösze, die Vermeidung der tempi communi und incontri (double) — gesehen werden. Es ist ritterliche Pflicht der Konkurrenten, nach Beendigung des Assauts Salut und Handschlag zu tauschen.

§ 15. Bei den Klassifikationsassauts gilt als Regel, dasz ein Assaut als »begonnen" zu betrachten ist, wenn beide Fechter nach wechselseitiger Begrüszung die Masken aufgesetzt haben und einer derselben den rechten Fusz in die Angriffslinie setzt,

§ 16. Nach der in den Klassifikationsassauts sich ergebenden Rangfolge erfolgt die Verteilung der Medaillen.

§ 17. Zur Verteilung gelangen goldene, grosze silberne, silberne und Bronce-Medaillen. Die Anzahl derselben richtet sich nach der Zahl der Teilnehmer. Konkurrenten, die mit weniger als 3 Punkten klassifiziert werden, erhalten keine Medaillen. Von allen übrigen mit 3 oder mehr Punkten klassifizierten Fechtern erhalten die drei letzten in der Rangfolge Bronce-Medaillen.

§ 18. Zur jeder Medaille erhält der Fechter das dazugehörige Ehrendiplom.

§ 19. Zur Konkurrenz um die Ehrenpreise werden nur jene Fechter zugelassen, die in den Klassifikationsassauts mit mindestens 6 Punkten klassifiziert werden. Die Konkurrenz geschieht in Entscheidungsassauts (Poule) auf 3 Touches. In diesen Assauts fechten alle Konkurrenten untereinander, jeder mit jedem. Die Reihenfolge der Assauts wird durch das Loos bestimmt. Die Anzahl der errungenen Siege ergibt die Rangfolge der Fechter, nach welcher sie zur Wahl zwischen den Ehrenpreisen zugelassen werden. § 20.

Bei den Pouleassauts wird auf Kommando des Kampfrichters zuerst die Fechtstellung angenommen, das Assaut selbst kann jedoch nur dann begonnen werden, wenn der Kampfrichter „Los" kommandiert hat. § 21.

Incontri (ambo, double) werden hiebei nach den Fechtregeln beurteilt. Tempo communi zählen beiden Fechtern als Touche. Sollten bei einem Pouleassaut beide Fechter auf 2—2 Touches stehen und ist der letzte Gang ein Tempo communi, so zählen bei diesem Assaut beide Fechter zu den Besiegten. §22.

Sollten in den Klassifikationsassauts weniger Fechter mit 8 Punkten klassifiziert worden sein, als Ehrenpreise vorhanden sind, so konkurrieren um die restierenden Ehrenpreise jene Fechter, die mit 8-4 Punkten klassifiziert wurden, und zwar unter gleichen Modalitäten wie die erste Gruppe.

§ 23. Den Schluss des Turniers bildet eine Fechtakademie vor geladenem Publikum. Die Teilnehmer werden von der Jury bestimmt. Mitglieder der Jury können an der Akademie auch teilnehmen. Beginn der Akademie 7 Uhr 30 Minuten Abends — dann Verteilung der Medaillen, Ehrendiplome und Ehrenpreise.

Fechtwart und Schriftführer: Präses: J. B. m. p., Oberleutnant. H. K. m. p., Oberstleutnant.

Das Werk von Bartunk und die im Zusammenhang mit ihm und dem K.u.K. Fecht- u. Turnlehrercurs belegbaren Bemühungen zeigen, dass es bereits damals im Ernstkampf unter verschiedenen Bedingungen erprobte Profis gab, die ein Turnierreglement entwickelt haben, welches die Erziehung und Ausbildung guter und ganzheitlicher (vollkommener) Fechter förderte. Selbst die Anforderungen an die Waffen sind denen vieler Mitglieder unserer Szene gleich, indem sie so sicher wie nötig aber doch so authentisch wie möglich angepasst werden. Ich denke, dass diese uns erhaltenen umfangreichen Informationen sehr dienlich sein werden, um Wettkampfformen zu entwickeln, die sowohl den technischen als auch dem sportlichen Aspekt in HEMA gerecht werden. Zumindest ist eines klar. Wer ein Turnier nach diesen Regelm macht, muss sich sein H von HEMA nicht nehmen lassen ;-)! Ironie Ende!

Ein Turnier mit Einhandwaffen und im Langen Schwert angelehnt an diese historischen Regeln planen wir mit Unterstützung von Kampfrichtern anderer Vereine im letzten Quartal 2018 oder im ersten Quartal 2019 erstmalig durchzuführen. Dazu werden wir vorher einige Probeläufe an mehreren Wochenenden durchführen, um die Feinanpassung dieses System durchzuführen. Wir hoffen dabei auf eure Unterstützung als Teilnehmer und Kampfrichter. Über entsprechende Termine informieren wir hier und per Facebook. Wenn ihr in einen Emailverteiler aufgenommen werden wollt, dann schreibt an info@in-motu.de.

[1] Josef Bartunek, RATGEBER FÜR DEN OFFIZIER ZUR SICHERUNG DES ERFOLGES IM ZWEIKAMPFE MIT DEM SÄBEL, ESZTERGOM, 1 9 0 4.

[2] Vorausgesetzt werden 800N Jacke + 800N Plastron + 1600N Maske + Halsschutz + Handschuhe + Tiefschutz. Was nicht mehr genutzt werden soll sind zusätzliche Schutzelemente wie Ellenbogenschützer, zusätzliche Unterarmschützer etc.. Auch sollen die Jacken nicht zu extrem unbeweglich sein müssen, wenn die Fechter eine gewisse Härte nicht übersteigen dürfen. Als letzes Element werden die Waffen soweit angepasst sein, dass sowohl im Stich als auch im Hau die kinetische Energie verrignert wird, ohne zu großen Einfluss auf die technischen Möglichkeiten zu nehmen.


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