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Einzigartig! Die Ringerlehre des Johannes Lichtenauer



Die Ringerlehre von Meister Ott ist oft kopiert worden und unter den deutschsprachigen Fechtkunst-Quellen weit bekannt, wenngleich es viele andere Quellen zum Thema Ringen gibt. Es zeigt sich, dass nahezu jeder Meister seine eigene Ringerlehre hatte und lehrte, sofern man nicht auf Meister Ott zurückgriff. Vermutlich, taten dies die Meister, da sie auf Grundlage ihrer Ringerlehren, wie auch in anderen Kampfkünsten weltweit, die körpermechanische Prinzipienlehre des Fechtens vermittelten und die körperlichen Voraussetzung im Bereich der Trainingslehre schufen. Und dabei haben die Meister, wie auch heute, verschiedene Zielstellungen, Ausrichtungen, didaktische Strukturen und Methoden. Zwar basieren alle Lehren auf einem gleichen Fachvokabular und zeigen gleiche Prinzipien auf, doch sind die schriftlichen Lehren zum Ringen, wie auch jene zum Fechten mit Waffen, kaum mit einer Grundlagenlehre versehen, da dies für die Zielgruppe der verfassten Werke zum Verständnis der meisten Kampfbücher nicht nötig war. Denn die meisten Kampfbücher wurden vermutlich innerhalb der eigenen sozialen Gruppe weitergegeben, sodass diese bereits eine Fechtausbildung genossen hatten. Eine Sonderstellung nehmen dabei die repräsentativen Werke für die eigenen Gönner der Meister ein, wie wir sie etwa bei Talhoffer und Paulus Kal finden. Diese Werke wiederum enthalten ebenfalls keine Grundlagenlehre, das sie meist zu repräsentativen Zwecken verfasst wurden oder der unterrichtete Adlige ebenfalls die notwendige Grundlagenausbildung durchlaufen hatte. Erst Johann Georg Pascha hat eine didaktische Struktur der Ringerlehre aufgezeigt, die sich an den unerfahrenen Ringer, den Neuling, den Schüler richtet. Joachim Meyer hatte dies zuvor in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die Fechtlehre begonnen. Leider hat er sein geplantes zweites Werk nie veröffentlicht und das dazugehörige Manuskript konnte bisher nicht aufgefunden werden. Doch sein gewaltiges Werk lässt genügend Rückschlüsse auf Körpermechanik und Schwertphysik zu, um diese zu verstehen und zu verinnerlichen.

Die Aufgabe und die Zielgruppe der Handschrift des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg (GNM) Hs 3227a, welche oft als "Döbringer"[1] bezeichnet wird, kann nur spekuliert werden. Allerdings wurde hier eine umfassende Grundlagenlehre mit vielen Details einbezogen, die wir mit gleicher Struktur und gleichem Vokabular erst wieder bei Joachim Meyer.[2]

Innerhalb dieser Waffenübergreifenden Grundlagenlehre der GNM Hs 3227a gibt es eine bisher kaum beachtete Ringerlehre [3], die sich direkt auf Johannes Lichtenauer bezieht.

"[...] Merke Ringen in czulawfen mancher wezen vnd geverte / meist° lichtnaw°s / vnd das ist gar swer vnd unbedewtlich / wen das das ist sein zete gewest / dorvm das ist nicht ydermã vorneme / der is wörde leze~ / [...]"

(GNM Hs 3227a fol. 87r.)

Übersetzung:

"[...] Merke das Ringen im Zulaufen mit einigen "Wezen" und "Geferten"[4] Meister Lichtenauers. Und dieses ist gar schwer und undeutlich, denn das ist sein Zettel gewesen, damit ihn nicht Jedermann verstehe, der es lesen würde[...]"

Es handelt sich demnach um zumindest Teile der Ringerlehre des Johannes Lichtenauer, die uns hiermit einmalig vorliegt. [5] Diese Lehre zeigt eine zielführende Strukturierung der Ringerlehre Lichtenauers und der dazugehörigen Fachbegriffe auf. Die verwendeten Grundlagen-Techniken lassen sich bei Fiore Dei Liberi sehen, bei Fabian von Auerswald und sehr stark noch bei Johann Georg Pascha, wenngleich sich bei Pascha das Vokabular leicht verändert hat. Auf meinem letzten Seminar habe ich diese Lehre als Grundlage für meine Prinzipienausbildung im Bereich der Körpermechanik und Klingenphysik genutzt, wie ich es auch im Lehrplan an meiner Schule mache. Ein zukünftiges Seminar wird diese Lehre vorstellen, erklären und einordnen.

Mehr zu dieser Lehre, dem Text, den Besonderheiten und ihrer Bedeutung folgt.

Die Bezeichnung "Döbringer" [1] beruht auf dem Namen eines Meisters, der auf folio 43 recto der Handschrift zu den Gefechten der "anderen Meister" erwähnt wird. Es ist oft einfacher eine Handschrift nach einem vorkommenden Namen oder einer bestimmten Begrifflichkeit zu bezeichnen und die zu vermeiden. [edit] Ein weiterer interessanter Punkt für die Forschung ist die oben zitierte sehr bedeutende Einleitung zum Ringen. Sie macht es sehr wahrscheinlich, dass dem Schreiber eine schriftliche Version der Ringerzedel vorlag.

[2] Vgl. Joachim Meyer, Gründtliche Beschreibung des Fechtens, Straßburg 1570.

[3] GNM Hs 3227a fol. 86r. - 89r. .

[4] "Wezen" und "Geferte" sind Fachbegriffe zum abgrenzen bestimmter Techniken bzw. Prinzipien innerhalb der didaktischen Struktur der Lehre.

[5] Hierbei ist auch interessant, dass auf den Sinn und Zweck der "Zettel" eingegangen wird. Es bleibt fraglich, ob der Verfasser hier versucht aus einer Vorlage der Zettel ein neues Konstrukt zu schaffen, oder ob er sich tatsächlich an seine Vorlage in mündlicher oder schriftlicher Form hält.

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