Trainingswaffen Teil 2: Trainingswaffen aus Holz
Unterschätzter Werkstoff
Heute möchte ich wieder Bezug zu dem vor Tagen angesprochenem Thema Trainingswaffen nehmen. Für verschiedene Unterrichts-und Trainingsmethoden sind auch unterschiedliche Trainings- oder Übungswaffen aus verschiedensten Werkstoffen vorteilhaft verwendbar. In dem vorliegenden Artikel möchte ich mich einem meiner liebsten Werkstoffe widmen - Holz. Nun, meine persönliche Vorliebe für Schwertsimulatoren aus Holz begann bereits vor mehr als 11 Jahren, als wir japanische Bokuto im Unterricht nutzten, um unsere Stahlsimulatoren zu schonen. Auf dem Markt gab es allerdings keine qualitativ vergleichbaren Holzsimulatoren für europäische Kampfkünste, und die Bokuto konnten wir mit der damaligen geringen Erfahrung mit Holz nur begrenzt im Training einbauen. Im Verlauf des Artikels werde ich auch unsere Eigenentwicklungen aus Holz vorstellen.
Historische Sichtweise
Seit es Menschen gibt und diese kämpfen, war Holz einer der wichtigsten Werkstoffe, um Waffen und Übungswaffen herzustellen. Auch als man in der späten Antike in Europa Stahlklingen herstellte und diese zum Standard der Krieger wurden, waren Holzwaffen durchgängig als Übungswaffen in Gebrauch. Von der Antike bis in das 20. Jahrhundert, lässt sich zeigen, dass Trainingswaffen aus Holz genutzt wurden. Egal ob ein antikes Gladius oder der Stock- und Stabkampf als Vorbereitung auf einhändig und zweihändig geführte Klingenwaffen. Auch in anderen Kulturräumen, wie etwa Asien haben sich Holzwaffen als Trainingswaffen über die Jahrtausende durchgesetzt und erhalten. Dies geschah neben dem ästhetischen Wert sicherlich auch wegen der im folgen aufgezeigten Vorteile für gewisse Trainingsmethoden. In China werden Säbel und Schwert bis heute als Holzwaffe für bestimmte Solo- & Partnerdrills genutzt, bevor mit Stahl geübt wird. In Japan ist der Bokuto nicht nur jahrhundertelang die Trainingswaffe schlechthin für Kenjutsu gewesen, sondern wurde gar zur eigenen Waffengattung stilisiert. Spätestens seit Miyamoto Musashi mit einem selbst gefertigten "Holzschwert" den berühmten Samurai Sasaki Kojiro erschlug, wurden Holzschwerter als eigene Duellwaffen sehr beliebt. Und das Fechten mit dem Bokuto ist teilweise eine eigene Waffenklasse. Auch in Europa wurden stets Holzwaffen genutzt. Vom antiken Holzgladius über hölzerne Messer, Dussäcke und Lange Schwerter, Holzdegen bis hin zum Stock- und Stabkampf als Grundlage des Fechtens mit Stahlwaffen hatte Holz stets eine herausragende Rolle. Doch warum? Es gibt sehr viele Vorteile, die Holz bietet. Aus meiner persönlichen Sicht muss ich zuerst auf den ästhetischen Wert hinweisen. Ich finde, dass Holz zu historischen Kampfkünsten sowohl aus traditioneller, als auch aus optischer Sicht besser passt als moderne Kunststoffe. Doch das ist meine rein persönliche Sichtweise. Kommen wir zu den Fakten. Jahrtausende lang war es günstiger ein Übungsschwert aus Holz zu produzieren, als eines aus Stahl. Die hohe Verfügbarkeit und die geringen Kosten von Holzwaffen machten sie bereits aus wirtschaftlichen Gründen zur ersten Wahl für ausgewählte Unterrichte. Hier muss auch der Verschleiß mit einbezogen werden. Als Soldat beschäftigt man sich heute wie damals mehrere Stunden am Tag mit Waffentraining. Ein tägliches realistisches Waffentraining mit Stahlwaffen, das auch mit entsprechenden Impulsübungen zum Erlernen der Schwertphysik durchgeführt wird, zerstört auch die beste Stahlklinge bei täglichem Training spätestens nach einigen Wochen, wenn nicht gar Tagen. Im Fechten kann daher heute wie damals Geld gespart werden. Daraus ergibt sich direkt der nächste Vorteil von Holz. Um ein gutes Verständnis für die Impulse in der Klinge bei realistisch wirkenden Kräften zu bekommen, muss auch regelmäßig mit solchen Impulsen unter starker Krafteinwirkung trainiert werden. Bei guten Holzwaffen sind die Verschleißerscheinungen weit geringer, als bei Stahlwaffen, sodass Holzwaffen viel länger genutzt werden können. Zusätzlich ist die Impulsübertragung bei Holzwaffen im Vergleich zu Kunststoffen dem Verhalten von Stahl viel ähnlicher. Dabei kommt es allerdings auf ein gutes Design und eine qualitativ hochwertige Holzverarbeitung an, wie es sie auf dem Markt bisher nur bei guten japanischen Bokuto gab. Holzwaffen bieten bei entsprechender Behandlung auch ein besseres Reibungsverhalten der Klingen auf, als Kunststoffe. Wird bei der Verarbeitung auf diesen Fakt Wert gelegt, dann können Simulatoren entstehen, die in ihrem Gleitverhalten an der gegnerischen Klinge dem von Stahlwaffen näherkommen, als bisherige Kunststoffsimulatoren. Und das ohne dabei die Klingenform zu ändern. Auch das Gewicht und die Bruchfestigkeit von Holz können je nach Holzsorte beeindruckend sein. Gerade das Gewicht, sowie physikalische Eigenschaften lassen sich sehr gut an Originale anpassen. Auch für das Kräftigungstraining bietet sich Holz an, da es günstig und einfach individualisierbar ist. Anfänger sollten stets mit geringen Gewichten anfangen, die ihrer jeweiligen körperlichen Ausprägung entsprechen. Dann sollte das Gewicht des Simulators schrittweise entsprechend dem Trainingsfortschritt gesteigert werden. Solange, bis die Holzwaffe schwerer ist als die Stahlwaffe. Aber das ist ein laaaaaanger Weg! ;-) Kann Holz alles? Nein! Auch Holz bleibt eben nur ein Simulator, der für bestimmte Methoden geeignet ist. Holz eignet sich vorwiegend zur Kräftigung, zum Muskelaufbau und zum Konditionstraining. Aber auch zum Einüben und stärken der koordinativen Fähigkeiten bei Bewegungsabläufen. Besonders dann, wenn es dadurch möglich ist die Stahlklingen zu schonen. Darüber hinaus ist es bestens geeignet, um kräftigere Schlag- und Impulsübungen am Pfahl, dem Autoreifen und auch mit dem Partner zu machen. Holz sollte nicht für schnelles und/oder kräftiges Sparring genutzt werden, da die wirkenden Kräfte und Impulse sich auf die Schutzausrüstung anders auswirken, als bei einer Fechtfeder oder vergleichbaren Stahlsimulatoren. Die Verletzungsgefahr ist demnach höher. Ansonsten kann Holz nahezu für alle Methoden verwendet werden. Es sollte jedoch nie Stahl komplett ersetzen. Gute Qualität ist schwer zu finden! Ebenso, wie die Stahlsimulatoren auf dem Markt sich kaum an Originalen orientieren, sondern an dem, was der Kunde wünscht, so wurde kaum in die Herstellung von Simulatoren aus investiert, da Holzwaffen sehr unterschätzt wurden, sodass die Qualität der wenigen Anbieter stark zu wünschen übriglässt. Das größte Problem ist dabei das fehlende Handwerk und die dadurch steigenden Kosten. Bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts war Holz ein günstiger Werkstoff und es gab in jedem Dorf genug gut ausgebildete Handwerker, die um die Besonderheiten der Holzbearbeitung wussten. Heute ist es zum einen Schwierig das passende Ausgangsmaterial zu bekommen, da die heutige Massenware nur schwerlich den hohen Anforderungen genügt. Zum anderen wird es auch schwierig einen Handwerker zu finden, der sich mit Holz noch so gut auskennt, dass er in Kooperation mit einem Fechter eine entsprechende Trainingswaffe herstellen kann. Dadurch entstehen für Holzwaffen in Deutschland sehr hohe Preise. Der Markt ist noch gering und die Bedeutung von Holzsimulatoren leider weit unterschätzt. Daher habe ich mich mit meinem Schüler Patrick entschieden Holzsimulatoren zu entwickeln, die den Ansprüchen an unsere Kampfkunst gerecht werden. Als Schmied mit langjähriger Erfahrung in Holz- und Lederverarbeitung ist Patrick mit seiner Schmiede "Eisenigel" der richtige Partner, um zukünftig Holz- und Stahlsimulatoren zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Momentan sind wir in der Erprobungsphase unserer Holzsimulatoren für einhändige Schwerter und hoffen diese bis Ende Februar abzuschließen. Einige Bilder findet ihr in der angehängten Galerie. Ziel dieser Simulatoren ist es, bei bester Holzqualität Simulatoren mit möglichst authentischen physikalischen Eigenschaften anzubieten, die den täglichen Anforderungen im Unterricht gerecht werden und dabei einen hohen Grad an Individualisierung, Sicherheit und Ästhetik bieten.
Kurz gesagt, Holz ist ein toller Werkstoff und seit Jahrtausenden erprobt. Zudem ist es ein wahrlich "historisches" Training, wenn man die gleichen Trainingsmaterialien wie unsere Vorfahren verwendet. Ich möchte gern eine Lanze für Holzsimulatoren brechen! Für weitere Fragen stehe ich natürlich wie immer gern zur Verfügung. Bis zum nächsten Artikel.